Identität und Persönlichkeit in der Krise – über die Konsequenzen eines harten Lebens

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Das Leben kann hart zuschlagen, und manche Dinge, die uns begegnen, führen zu einer veritablen Identitätskrise. Erfahren Sie im Folgenden, was Identität ist, was sie mit Persönlichkeit zu tun hat und was Menschen in einer Identitätskrise benötigen.

Kaum eine Frage ist schwerer (kompetent) zu beantworten als „Wer bist Du?“. Das liegt unter anderem daran, dass man bei der Antwort auf Informationen aus vielen unterschiedlichen Kontexten eingehen kann. Zum Beispiel auf objektive Fakten (Geschlecht, Alter, Beziehungsstatus), die Herkunft (Nation, Volksgruppe), Persönlichkeitsmerkmale oder die eigene Profession (Beruf, Qualifikation, Studium).

Was also wird in der Psychologie unter Identität verstanden, und wie unterscheidet sich diese von der Persönlichkeit?

Persönlichkeit repräsentiert die Gesamtheit derjenigen Merkmale, die unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. Dies sind Merkmale wie Charaktereigenschaften, Motive, Kompetenzen oder Interessen. Persönlichkeit bildet sich im Zuge der Entwicklung eines Menschen heraus, stabilisiert sich durch verschiedene Prozesse im Laufe des Lebens und bildet dann ein einzigartiges Persönlichkeitsprofil, dass so individuell ist wie unser Fingerabdruck.

Identität auf der anderen Seite ist die subjektive Wahrnehmung und Definition unseres Selbst (Me) durch unseren denkenden Geist (I). Das selbst wahrgenommene Me, also unsere Identität, bildet sich in einem komplexen Zusammenspiel aus Vergangenheit (Erinnerungen) und Gegenwart (Persönlichkeit). Erfahrungen und Erinnerungen prägen dabei die Wahrnehmung unseres Selbst und erzeugen im Zusammenspiel mit unseren aktuellen Persönlichkeitsmerkmalen Zugehörigkeitsgefühle, die entscheidend für das Konzept von Identität sind:

  • Mit wem oder was identifiziere ich mich?
  • Woher komme ich? Zu welcher Gruppe, (Sub-)Kultur oder Gesellschaft fühle ich mich zugehörig?
  • Was habe ich für eine familiäre Abstammung? Welche Traditionen pflege ich?
  • Von wem oder was grenze ich mich ganz bewusst ab?

Identität gibt also Orientierung und sorgt für ein (hoffentlich positives) Bild der eigenen Person. Aber: Ohne eine positiv erinnerte Vergangenheit ist auch eine positive Identität nicht denkbar.

Welchen Einfluss haben schwierige Lebenssituationen auf Persönlichkeit und Identität?

Persönlichkeit wird von bestimmten Erfahrungen und Lebensereignissen genauso beeinflusst wie Identität. Krieg, Flucht und Vertreibung gehen mit traumatischen und beängstigenden Erfahrungen der Entwurzelung einher. Diese haben zum einen Einfluss auf unsere Persönlichkeit (zum Beispiel ein starkes Sicherheitsmotiv, eine größere soziale Skepsis). Zum anderen wird die eigene Identität in Frage gestellt. In einem neuen Land bin ich fremd, soll mich aber möglichst schnell integrieren. Wie stark kann ich meine Identität noch an das alte (verlorene) Land koppeln, wenn ich jetzt im neuen Land erfolgreich handeln möchte? Diese Ambivalenz und Unsicherheit kann über mehrere Generationen fortdauern und identitätsbedingte Probleme verursachen.

Neben Flucht können aber auch andere schwierige Lebenssituationen Auslöser für eine Identitätskrise sein:

  • Ungewollte Arbeitslosigkeit
  • Scheidung/Trennung
  • Sozialer Abstieg
  • Das Gefühl, gesellschaftlich abgehängt zu sein

Was benötigen Menschen in einer Identitätskrise?

Grundsätzlich sind konstruktive Möglichkeiten und Angebote zur Bildung einer positiv konnotierten Identität für Menschen in einer Identitätskrise von immenser Bedeutung. Es braucht Möglichkeiten, sich mit erfolgreichen Rollenvorbildern, Gruppen oder Institutionen zu identifizieren, zugehörig zu fühlen und so eine stabile Identität (wieder) aufzubauen. Beispiele sind u.a.:

  • Möglichkeiten, sich in Sportvereinen, Freiwilligendiensten oder anderen gesellschaftlichen Institutionen zu engagieren
  • Bildungsangebote für alle gesellschaftlichen Gruppen
  • Mediale Darstellung positiver Rollenvorbilder z.B. in sozialen Medien
  • Beratungs-, Coaching- und Therapieangebote
  • Ein gesamtgesellschaftlicher Wille zur Inklusion

Aus den beschriebenen Mechanismen heraus wird auch deutlich, warum besonders Menschen, die sich in einer Identitätskrise befinden, so anfällig für eine Beeinflussung durch Demagogen, Populisten oder religiöse Eiferer sind. Um hier ein Gegengewicht gegen Hass, Hetze und Fake-News zu setzen, sind daher ein gewisses Verständnis für die schwierige Lebenssituation anderer und inkludierende soziale Angebote in der Regel keine schlechte Idee.

Ihr

Dr. Ronald Franke

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