Ein Vorschlag für Organisationsentwickler: Betrachten Sie in Zukunft eher die Unternehmenspersönlichkeit als die Unternehmenskultur

Um zentrale „weiche“ Bestimmungselemente eines Unternehmens aus den Bereichen  Zusammenarbeit, Führung oder Unternehmenswerte zu bestimmen, wird in der Regel die Unternehmenskultur erhoben und dargestellt. Diese gibt wichtige Normen der Zusammenarbeit, zentrale Unternehmenswerte oder Führungsprinzipien wieder, die im Unternehmen tradiert sind. Außerdem dient die Unternehmenskultur allen Mitarbeiter*innen als eine Art impliziter Leitfaden,  wie man sich in diesem Unternehmen verhalten sollte, um akzeptiert zu werden und erfolgreich zu kommunizieren.

Allerdings ist die Unternehmenskultur aufgrund ihrer impliziten Natur …

… oft nur sehr schwer greifbar (besonders wenn abstrakte Dimensionen zur Beschreibung genutzt werden),

… nur langsam veränderbar (da sie über Jahre und Jahrzehnte im Unternehmen tradiert wird)

… und nicht ohne weiteres mit der Persönlichkeit der einzelnen Mitarbeiter zu vergleichen (da diese mit anderen Maßen und Dimensionen erfasst wird)

Aus diesem Grund sollten statt der klassischen Dimensionen zur Beschreibung von Unternehmenskultur in Zukunft die Dimensionen der individuellen Persönlichkeit (z.B. die Big Five) genutzt werden, um eine Unternehmenspersönlichkeit zu definieren, die dann direkt mit den Persönlichkeitsstilen der Mitarbeiterschaft vergleichbar ist und sich natürlich auch aus diesen bildet. Dies ist insofern sinnvoll, da die in einem Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter mit ihrer Persönlichkeit sowieso das Verhalten des Unternehmens maßgeblich prägen.

Die Unternehmenspersönlichkeit würde dann Elemente wie typische Ausprägungen der fünf grundlegenden Charaktereigenschaften (Big Five), zentrale Motive der Mitarbeiter oder deren Kernkompetenzen umfassen. Auf diese Weise wäre es möglich, sehr gute Rückschlüsse auf Themen wie bevorzugte Führungsstile, Arbeitsstile oder Kommunikationsstile im Unternehmen zu ziehen

Zwei Beispiele mit Auszügen aus der Unternehmenspersönlichkeit:

  • Das traditionelle Maschinenbauunternehmen, dass von jeher auf Werte wie Verlässlichkeit, Sicherheit, Qualität oder Kontinuität setzt wird in seiner Unternehmenspersönlichkeit folgende Merkmale aufweisen:
    • Charaktereigenschaften u.a.: Beständigkeit, Kooperationsorientierung, Introversion
    • Motive: Sicherheitsmotiv, Leistungsmotiv
    • Kompetenzen: Selbstdisziplin, Teamfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein

 

  • Die Unternehmenspersönlichkeit einer Versicherung, die stets vertriebsorientierte, risikobereite und dominante Persönlichkeiten eingestellt und gefördert hat, wird wahrscheinlich eher durch folgende Merkmale geprägt:
    • Charaktereigenschaften u.a.: Offenheit, Wettbewerbsorientierung, Extraversion
    • Motive: Einflussmotiv, Wachstumsmotiv
    • Kompetenzen: Sicheres Auftreten, Überzeugungsvermögen, Zielstrebigkeit

Wofür kann die Unternehmenspersönlichkeit eingesetzt werden?

Wichtig sind solche Erkenntnisse unter anderem bei der Besetzung neuer Positionen (wer passt zu uns, wen brauchen wir im Unternehmen?), der Personalentwicklung (wo haben wir im Unternehmen Defizite, in welchen Bereichen müssen wir besser werden?) oder bei der Führung (wie kann ich meine Mitarbeiter optimal ansprechen und motivieren?).

Wie wird die Unternehmenspersönlichkeit erfasst?

Erfasst werden könnte die Unternehmenspersönlichkeit leichter und valider als die Unternehmenskultur mit einem Persönlichkeitstest, der einer repräsentativen Stichprobe der Mitarbeiter gegeben wird und dessen Ergebnisse dann einfach zur Unternehmenspersönlichkeit kombiniert werden. Dies hätte auch den Charme, dass jeder sich im Gegensatz zu den abstrakten Dimensionen der Unternehmenskultur direkt etwas unter den Ergebnissen vorstellen kann. Natürlich lassen sich die Konzepte Unternehmenskultur und Unternehmenspersönlichkeit auch miteinander verbinden. So entsteht die Unternehmenskultur mit ihren Verhaltensnormen und Werten primär aus den Persönlichkeiten der handelnden Akteure, die in ihrer Gesamtheit die vorgestellte Unternehmenspersönlichkeit bilden.

 

Ihr

Dr. Ronald Franke

 


Über den Autor:

Dr. Ronald Franke ist Geschäftsführer der LINC GmbH, promovierter Wirtschaftspsychologe und zertifizierter systemischer Coach. Als Berater und Trainer war er für Unternehmen aus den Bereichen Automotive, Pharma Maschinenbau und Handel tätig. Sein Wissen gibt er außerdem seit über 10 Jahren als Dozent an Hochschulen weiter (u. a. Leuphana Universität Lüneburg, FOM Hamburg).


 

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