Sie arbeiten mit Menschen, unterstützen sie bei der Weiterentwicklung, helfen ihnen ihre Ziele zu erreichen? Dann sind Sie sich des immensen Einflusses den Persönlichkeit auf den Erfolg und auch das empfundene Glück eines Menschen hat sicher bewusst. Aber was genau ist Persönlichkeit und wie entsteht der Einfluss auf das Verhalten und den Erfolg eines Menschen? Hierzu möchte ich Ihnen gerne einen kurzen Einblick in den Stand der Forschung im Bereich der Persönlichkeitspsychologie geben.
Der derzeit in der Psychologie vorherrschenden Eigenschafts- oder Dispositionstheorie folgend, formt sich Persönlichkeit aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Merkmale einer Person, die jeweils verschiedene Teilbereiche unserer Persönlichkeit darstellen. Wichtige Teilbereiche sind u.a.:
- Motive: Sie geben unserem Handeln eine Richtung: Was tue ich? Strebe ich eine Führungsposition an oder nicht? (Einflussmotiv)
- Charaktereigenschaften: Sie beeinflussen unsere Verhaltensstile: Wie tue ich etwas? Führe ich sehr mitarbeiterorientiert oder eher autoritär?
- Kompetenzen: Sie definieren unsere Leistungsfähigkeit in einem eng umrissenen Bereich: Wie gut tue ich etwas? Führe ich kompetent oder weniger kompetent?
- Weitere Teilbereiche der Persönlichkeit sind Interessen, das Selbstkonzept oder das Selbstwertgefühl
Erst aus dem Zusammenspiel dieser Teilbereiche ergibt sich ein ganzheitliches Bild der Persönlichkeit, unser Persönlichkeitsprofil. Um mit diesem Persönlichkeitsprofil z.B. im Rahmen einer persönlichen Weiterentwicklung arbeiten zu können, benötigen wir valide Daten zur Ausprägung der einzelnen Persönlichkeitsmerkmale bei einem Menschen. Liegen diese vor, sind wir in der Lage, die Persönlichkeit dieses Menschen differenziert zu beschreiben und aufbauend auf dieser Beschreibung z.B. besser zu verstehen, warum ein Mensch sich mit bestimmten Situationen schwer tut, warum er mit bestimmten Menschen besser zurecht kommt als mit anderen oder welcher Karrierepfad am besten zu ihm und seiner Persönlichkeit passt.
Das Zusammenspiel zwischen Persönlichkeit und Verhalten
Es ist wichtig zu verstehen, dass Persönlichkeit nicht mit Verhalten gleichgesetzt werden sollte. Verhaltenstendenzen entspringen vielmehr aus der Persönlichkeit. Die Ausprägung eines bestimmten Persönlichkeitsmerkmales wie z.B. Dominanz, macht dominantes Verhalten in bestimmten Situationen wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher. Ist das Merkmal sehr stark ausgeprägt, zeigt der Mensch sehr häufig dominante Verhaltensweisen. Im Gegensatz zur Persönlichkeit sind Verhaltensweisen direkt beobachtbar und beschreibbar. Daher lassen die primären Verhaltensstile eines Menschen Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu. Ähnlich verhält es sich mit Werten, die aus den Motiven entspringen und ihnen daher zugeordnet werden können. So lassen sich Werte wie Freundschaft, Loyalität oder Integrität z.B. dem Beziehungsmotiv zuordnen.
Das Modell der Big Five
Von besonders großem Interesse für das Thema Persönlichkeitsentwicklung sind die Charaktereigenschaften, denn sie bestimmen u.a. unseren Arbeitsstil, Kommunikationsstil, Führungsstil oder Konfliktstil. Sie legen also fest, wie wir etwas tun. Um diese Stile systematisch beschreiben zu können, benötigen wir natürlich eine passende Systematik. Diese liefert das bekannte Modell der Big Five. Gemeint sind die fünf zentralen Charakterdimensionen, zu denen sich alle anderen Charaktereigenschaften zuordnen lassen. Das Modell der Big Five ist seit Jahren das vorherrschende Modell im Bereich der Persönlichkeitsforschung, da es einen sehr großen Erkenntnismehrwert geliefert hat. Dieser Mehrwert wird deutlich, wenn man eine Analogie aus dem Bereich der Farbenlehre nutzt. Es gibt tausende unterschiedlicher Farben, aber irgendwann wurde klar, dass es nur drei Grundfarben gibt, denen sich alle anderen Farben zuordnen lassen. Genau so verhält es sich auch im Bereich der Persönlichkeit. Im Sinne einer hierarchischen Anordnung kann man sich die Big Five als die fünf übergeordneten Persönlichkeitsdimensionen vorstellen und alle anderen Persönlichkeitsmerkmale als Facetten, die zu einer der fünf Dimensionen gehören. Kenne ich also die Ausprägung der Big Five bei einem Menschen, kann ich auf sehr viele unterschiedliche Merkmale (oder Facetten) Rückschlüsse ziehen.
Ein Beispiel: Eine der Big Five Dimensionen ist Offenheit für alles Neue. Ihr zugeordnet sind Unterfacetten dieser Dimension, die einzelne Aspekte dieser Offenheit beschreiben und bei einem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Diese Facetten sind u.a. Fantasie, Veränderungsbereitschaft oder kritisches Denken.
Der Einfluss von Persönlichkeit
Unsere Persönlichkeit hat Einfluss auf unsere Ziele und Wünsche, unser Verhalten, unser Denken und unsere Fähigkeiten und insofern auf praktisch jeden relevanten Bereich unseres Lebens. Daher ist die Persönlichkeit auch ein entscheidender Ausgangspunkt für jede Art nachhaltiger Veränderung und Entwicklung. Damit entsprechende Entwicklungsprozesse erfolgreich verlaufen, ist ein differenziertes Bild der eigenen Persönlichkeit von großem Nutzen, ermöglicht es doch zumindest den Startpunkt unserer persönlichen „Reise“ genau zu benennen. Das Ziel und den Weg dorthin können wir dann z.B. in einem Coachingprozess mit einem gut ausgebildeten Coach erarbeiten.
Zusammenfassend sollte aus diesem kurzen Überblick deutlich geworden sein:
- Persönlichkeit bildet sich aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Persönlichkeitsbereiche
- Jeder Bereich erklärt einen Teil unseres Verhaltens
- Verhalten kann genutzt werden, um die Persönlichkeit zu „messen“ und darzustellen
- Die beste Systematik zur Darstellung von Persönlichkeit ist das Modell der Big Five
- Ein besseres Verständnis der eigenen Persönlichkeit ermöglicht es uns, erfolgreiche Entwicklungsprozesse anzustoßen
Ihr
Ronald Franke
Über den Autor:
Dr. Ronald Franke ist Geschäftsführer der LINC GmbH, promovierter Wirtschaftspsychologe und zertifizierter systemischer Coach. Als Berater und Trainer war er für Unternehmen aus den Bereichen Automotive, Pharma Maschinenbau und Handel tätig. Sein Wissen gibt er außerdem seit über 10 Jahren als Dozent an Hochschulen weiter (u. a. Leuphana Universität Lüneburg, FOM Hamburg).