Anforderungsprofile als Unterstützung im Bereich Recruiting und Selektion
Heute möchte ich einige Gedanken zum Umgang mit Anforderungsprofilen mit all denjenigen unter Ihnen teilen, die sich in ihrer Arbeit mit der Auswahl und der Platzierung von Mitarbeiter*innen befassen. Anforderungsprofile können nämlich eine echte Unterstützung für diverse Prozesse im Bereich Recruiting und Selektion darstellen, sofern sie kompetent erstellt und eingesetzt werden. Durch die Arbeit mit Anforderungsprofilen erhöht sich zum einen massiv die Vergleichbarkeit der Daten, die über die einzelnen Bewerber*innen erhoben werden. Zum anderen steigt natürlich auch die Passung zwischen einer zu besetzenden Position und der ausgewählten Person, bezogen auf deren Fähigkeiten und Persönlichkeitsprofil
Anforderungsprofile werden im Recruiting noch immer selten genutzt
Trotz dieser Vorteile werden Anforderungsprofile bei der Stellenbesetzung jenseits großer Unternehmen und Konzerne vor allem im Mittelstand noch immer erstaunlich selten eingesetzt. Dies ist u.a. auf die fehlenden Kenntnisse der HR-Verantwortlichen bezüglich der Erstellung und des Einsatzes von Anforderungs- und SOLL-Profilen für eine vakante Position zurückzuführen.
Aus diesem Grund finden Sie im Folgenden 7 grundlegende Hinweise für den professionellen Einsatz von Anforderungsprofilen.
Die 7 grundlegenden Hinweise für den professionellen Einsatz von Anforderungsprofilen
- Die Anforderungen an eine Position werden aus dem Tätigkeitsprofil der zu besetzenden Stelle abgeleitet. Wichtig ist dabei, dass die Anforderungen in klar definierte Konstrukte, wie z.B. Kompetenzen, übertragen werden. So lassen sich diese im weiteren Auswahlprozess optimal messen und vergleichen. Die definierten Kompetenzen bilden dann das SOLL-Profil für die vakante Position.
- Nutzen Sie für die Auswahl der Kompetenzen ein bestehendes Kompetenzmodell aus der Literatur bzw. ein kommerziell verfügbares. Alternativ können Sie natürlich auch ein individuelles Modell für Ihr Unternehmen erarbeiten, aus dem Sie dann jeweils die passenden Kompetenzen auswählen.
- Wichtigste Regel: Übertreiben Sie es nicht bei der Anzahl der ausgewählten Kompetenzen für das SOLL-Profil einer Position.
Tipp: Wählen Sie maximal zehn Kompetenzen aus, besser sind 5-8. Wenn Sie zu viele Kompetenzen wählen, sinkt die Aussagekraft des Anforderungsprofils, weil niemand es erfüllen wird. Gleichzeitig verlieren Sie die wirklich zentralen Kompetenzen aus dem Blickfeld.
Fragen Sie sich: Was sind die zentralen Kompetenzen, die für Ihre spezifische Position charakteristisch sind und daher unbedingt vorhanden sein sollten. Viele Kompetenzen sind für fast alle Positionen hilfreich (z.B. Planungskompetenz), aber nur für einige Jobs absolut essenziell und daher aussagekräftig für genau diesen Job (bei Planung z.B. das Berufsprofil ‚Projektmanager*in‘). - Definieren Sie einen (realistischen) SOLL-Bereich oder Schwellenwert für die erforderliche Ausprägung der ausgewählten Kompetenzen. Dies ist zielführender als stets den Maximalwert zu erwarten, den bei jeder Kompetenz naturgemäß nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Menschen erreicht (Kompetenzen sind i.d.R. normalverteilt, daher befinden sich sehr wenige Menschen an den Enden der Verteilung).
- Andere Dimensionen der Persönlichkeit, wie Charaktereigenschaften oder Motive, eignen sich nach meiner Erfahrung weniger gut für Anforderungsprofile da nicht direkt mit der Leistungsfähigkeit in einem klar definierten Leistungsbereich verbunden, wie dies bei Kompetenzen der Fall ist. Charaktereigenschaften lassen sich jedoch in einem zweiten Schritt den Kompetenzen zuordnen, wodurch das SOLL-Profil einen breiteren Bereich der Persönlichkeit abdeckt.
- Nutzen Sie für die Erfassung des IST-Profils der Kandidat*innen unbedingt valide Verfahren, wie z.B. professionell umgesetzte Assessment Center, speziell auf einzelne Kompetenzen ausgerichtete Testverfahren (IQ-Test, Postkorb-Übungen, Konzentrationstests) oder einen validen Persönlichkeitstest.
- Achtung: Kompetenzen lassen sich nur messen, wenn sie tatsächlich gezeigt werden müssen. Daher können Sie z.B. soziale Kompetenzen nur in sozialen Situationen messen (z.B. in einer Gruppendiskussion), nicht aber durch einen Ankreuztest (egal wie ausgefeilt das Antwortformat ist). Sie können aber beispielsweise über das BIG FIVE Profil eines Menschen auf die wahrscheinliche Ausprägung der Kompetenzen schließen, da es hierzu eine Vielzahl valider Forschungsdaten gibt.
Abschließend sei noch erwähnt, dass die Ergebnisse der Kompetenzmessungen und die daraus entstandenen SOLL-IST Abgleiche, stets in einem persönlichen Gespräch mit den Kandidat*innen verifiziert werden sollten. Nur so können Sie sicherstellen, dass die nackten Zahlen und Daten sowie Ihr Urteil, auch den dahinterstehenden Menschen und deren Persönlichkeit gerecht werden.
Viele Grüße
Ihr Ronald Franke
Über den Autor:
Dr. Ronald Franke ist Geschäftsführer der LINC GmbH, promovierter Wirtschaftspsychologe und zertifizierter systemischer Coach. Als Berater und Trainer war er für Unternehmen aus den Bereichen Automotive, Pharma Maschinenbau und Handel tätig. Sein Wissen gibt er außerdem seit über 10 Jahren als Dozent an Hochschulen weiter (u. a. Leuphana Universität Lüneburg, FOM Hamburg).