Viel zu oft ist die Performance von Arbeitsteams unterdurchschnittlich oder sie verfehlen sogar gänzlich ihr Ziel. Experten schätzen, dass bis zu 40% aller Teams nicht die Leistung abrufen können, zu der sie aufgrund ihres Potentials eigentlich in der Lage wären. Um diesen Zustand zu ändern und Teams dabei zu unterstützen bessere Ergebnisse zu erreichen, können die Erkenntnisse der modernen Psychologie für die Personalentwicklung und Organisationsentwicklung sehr wertvoll sein. Daher möchte ich Ihnen heute fünf konkrete Aspekte vorstellen, in denen ich Erkenntnisse der psychologischen Forschung und Praxis auf das Thema Teamentwicklung anwende.
1. Teams sind seltener notwendig als Sie glauben
Die erste zu klärende Frage ist: Brauchen wir für diese Aufgabe überhaupt ein Team? Grundsätzlich macht Teamarbeit dann Sinn, wenn das Team eine bessere Leistung erbringt, als es das beste Teammitglied alleine gekonnt hätte. Dies ist viel seltener der Fall als Sie glauben. Warum? Schauen wir auf die Vor- und Nachteile von Teams gegenüber Einzelpersonen:
Vorteile: Teams lernen schneller als einzelne Menschen und korrigieren Fehler in der Regel schneller, da ein sozialer Austausch bezüglich der Fehler stattfindet. Außerdem erleben viele Teammitglieder einen Motivationsgewinn durch das Gefühl für ein Team zu arbeiten. Zuletzt verfügt ein Team über ein größeres kreatives Potential als Einzelne, da verschiedene Perspektiven auf ein Thema eingenommen werden können.
Nachteile: Interessanterweise sind Teams in der Realität dann häufig weniger kreativ als es die Teammitglieder einzeln wären, denn der sog. Effekt des gemeinsamen Wissens führt dazu, dass nur wenige Ideen im Team weiterverfolgt werden. Das Risky Shift Phänomen wiederum sorgt dafür, dass Teams höhere Risiken eingehen als Einzelpersonen (Verantwortungsdiffusion!), und Teams erreichen nur selten eine bessere Performance als die kombinierten Einzelleistungen der Teammitglieder (Social Loafing Phänomen).
Tipp: Überlegen Sie in Zukunft sehr genau, ob Sie eine Aufgabe nicht doch an eine kompetente Einzelperson vergeben als an ein Team. Das spart Ressourcen und ist oft nicht weniger erfolgreich.
2. Kennen Sie Ihr Team
Die Zusammenstellung der Persönlichkeiten im Team hat entscheidenden Einfluss auf den Erfolg. Sollte ein Team aus homogenen Charakteren zusammengesetzt sein, die sich stark ähneln oder eher heterogen? Homogene Teams kommen schneller aus der Findungs- in die Performancephase, benötigen weniger Steuerung und erleben seltener einen Totalausfall aufgrund interner Streitigkeiten. Heterogene Teams verfügen dagegen über ein größeres kreatives Potential für wirklich außergewöhnliche Leistungen, wenn es gelingt die unterschiedlichen Ansätze zu kombinieren.
Wichtig: Bestimmte Rollen im Team sollten vergeben sein. So zeigt die Teamforschung z.B. das ein sog. „Glue Guy“ – also eine Person die aufgrund ihres positiven, ausgleichenden Wesens Konflikte im Team auflöst – für den Erfolg von Teams Gold wert ist. Die Führungsrolle und die Rolle einer „ordnenden Hand“, die dem Team Struktur gibt, sollten ebenfalls klar vergeben sein.
Tipp: Nutzen Sie bei der Teamzusammenstellung professionelle Persönlichkeitstests, um die Persönlichkeiten der Teammitglieder kennenzulernen und das Team optimal zusammenzustellen.
3. Unterstützen Sie das Team von außen: Steuerungsmechanismen einbauen
Um erfolgreich zu sein, benötigen Teams bestmögliche Voraussetzungen. Diese können von außen geschaffen werden. Negativ wirken z.B. großer Zeitdruck, fehlende Ressourcen (technische Kommunikationsmittel, Geld, Informationen) oder interner Wettbewerb der Teammitglieder.
Tipp: Unterstützen Sie das Team indem Sie alle erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellen, für ein gemeinsames Ziel statt internem Wettbewerb sorgen und sicherstellen, das die Kommunikation im Team konstruktiv gesteuert wird. Eine gute Moderation wird als Erfolgsfaktor für Teams häufig unterschätzt. So kann es ab einer bestimmten Teamgröße durchaus sinnvoll sein, ein Teammitglied von inhaltlichen Aufgaben zu befreien und als Moderator*in der Teamprozesse einzusetzen.
4. Achtung: Erfolgreiche Teams neigen zur Selbstüberschätzung
Der Effekt des „Group Think“ beschreibt die Tendenz erfolgreicher Teams, sich zu überschätzen und Fehlentwicklungen nicht wahrzunehmen. Warnungen von außen (und innen) werden ignoriert und als Angriff auf das Team gewertet. Dies führt dazu, dass wichtige Veränderungen und Entwicklungen nicht stattfinden und das Team letztlich scheitert. Das Schicksal Nokias und anderer einst erfolgreicher Unternehmen kann hier als warnendes Beispiel dienen.
Tipp: Etablieren Sie externe und interne Prüfmechanismen in Ihren Teams. Intern kann z.B. ein sog. Advocatus Diaboli (Anwalt des Teufels) sinnvoll sein, dessen ausgewiesene Aufgabe es ist, jede Entscheidung in Frage zu stellen und überzeugende Argumente einzufordern.
5. Entwickeln Sie das Team kontinuierlich weiter
Tipp: Führen Sie kontinuierlich Teamentwicklungsworkshops durch, die auf das Team und die Persönlichkeiten im Team abgestimmt sind. Die Informationen zu den Charakteren aus Punkt 2 können hier als Grundlage dienen. Aufbauend auf den Ergebnissen professioneller Persönlichkeitsanalyseverfahren lassen sich Teamentwicklungsworkshops zielgerichtet einsetzen, um z.B. die Rollenverteilung im Team zu prüfen, Konflikte besser zu verstehen oder Potentiale aufzudecken.
Ihr
Dr. Ronald Franke
Über den Autor:
Dr. Ronald Franke ist Geschäftsführer der LINC GmbH, promovierter Wirtschaftspsychologe und zertifizierter systemischer Coach. Als Berater und Trainer war er für Unternehmen aus den Bereichen Automotive, Pharma Maschinenbau und Handel tätig. Sein Wissen gibt er außerdem seit über 10 Jahren als Dozent an Hochschulen weiter (u. a. Leuphana Universität Lüneburg, FOM Hamburg).