Der Einsatz von Persönlichkeitstests im Unternehmenskontext nimmt stetig zu. Gleichzeitig stehen diese Verfahren immer auch auf dem Prüfstand. Budgetverantwortliche und Entscheidungsträger*innen fragen zurecht nach dem genauen Mehrwert, den diese Verfahren für ein Unternehmen erzeugen. Was also zeichnet einen guten Persönlichkeitstest aus und – für die Budgetverantwortlichen noch wichtiger – wie lässt sich der Mehrwert in Form eines Return on Investment darstellen, den er einem Unternehmen bietet?
Entscheidend ist zunächst das Modell von Persönlichkeit, auf dem der Test aufsetzt.
Dieses muss den aktuellen Stand des Wissens der Persönlichkeitspsychologie darstellen, damit die Ergebnisse des Tests tatsächlich belastbare Aussagen über einen Menschen und dessen Persönlichkeit möglich machen. Erfasst ein Test die Persönlichkeit (Gütekriterium: Validität) und tut dies auch sehr genau (Gütekriterium: Reliabilität), werden auf Grundlage der Testdaten verschiedene Maßnahmen und Aktivitäten möglich, die für ein Unternehmen einen großen Mehrwert auch in Form eines Returns on Investment (ROI) darstellen.
Nachfolgend einige konkrete Beispiele, in welchen Unternehmensbereichen dies der Fall sein kann:
- Echtes Talent im Unternehmen wird erkannt (Talent Management), unpassende Mitarbeiter*innen werden bereits im Recruitingprozess aussortiert (Personalauswahl)
- Mitarbeiterzufriedenheit und damit die Bindung zum Unternehmen werden durch eine passgenaue Personalentwicklung erhöht, wodurch Fehlzeiten reduziert und die Verweildauer im Unternehmen verlängert werden
- Zeit- und geldraubende Konflikte zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeiter*innen werden aufgrund eines größeren Verständnisses und verbesserter Kommunikation vermieden
- Ein besseres Verständnis der Vertriebsmitarbeiter*innen bezüglich individueller Kundenpersönlichkeiten führt zu einem größeren Vertriebserfolg
Natürlich ist es immer schwierig, einen konkreten monetären ROI für eher „weiche“ Personalthemen wie die oben aufgeführten zu beziffern. Trotzdem lohnt hier ein genauerer Blick, denn auch wenn bezüglich der Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Persönlichkeitstests in vielen Unternehmen bereits ein Konsens besteht, können „harte“ – also monetäre – Argumente besonders im Falle fachfremder Entscheidungsträger*innen sehr wertvoll sein, um eine positive Entscheidung zu bewirken.
Wie könnte ein konkreter Business Case (also ein Einsatzbeispiel inkl. Zahlen zum ROI) aussehen?
Im Folgenden möchte ich Ihnen gerne einen Ansatz vorstellen, den Sie bei Bedarf dann für Ihr Unternehmen individuell anpassen können:
Zunächst ist es sinnvoll, konkrete Kennzahlen für die oben beschriebenen Leistungskategorien zu definieren. Diese Kennzahlen könnten wie folgt aussehen.
- Passgenauere Auswahl: Verbesserung der allgemeinen Unternehmensperformance durch bessere Mitarbeiter*innen um 1%
- Geringere Mitarbeiter*innenfluktuation: Reduzierung der Kosten einer Mitarbeitereinstellung um 5%
- Fehlzeiten: Reduzierung der Fehlzeiten um 0,5%
- Führung: Einsparung von 2% Zeit einer Führungskraft
Alle Kennzahlen wurden sehr konservativ geschätzt und können aufgrund der Erfahrungen mit (fundierten) Persönlichkeitstests als realisierbar angesehen werden. So werden Sie mir wahrscheinlich zustimmen, dass eine bessere Personalauswahl langfristig einen wesentlich größeren Effekt auf die Unternehmensperformance hat als nur 1% Verbesserung des Umsatzes. Belege für die oben angenommenen Effekte finden sich auch in der psychologischen Fachliteratur (siehe die Auswahl an Quellenverweisen am Ende dieses Textes).
Setzen wir jetzt für die fiktive Müller AG (50 Mio. Jahresumsatz, 400 MA) konkrete Zahlen in die beschriebenen Beispielrechnungen ein, wird das Potential für den Einsatz leistungsfähiger Persönlichkeitstests deutlich (alle Werte per annum):
- Passgenauere Auswahl: Durch die Auswahl besserer und passenderer Mitarbeiter*innen verbessert sich die Unternehmensperformance an verschiedenen Punkten. Angenommen, der Jahresumsatz würde durch die Auswahl besserer Mitarbeiter nur um 1% steigen (weil sich z.B. die Vertriebsperformance verbessert und die Produktqualität erhöht), dann würde dies für die Müller AG bei einem Umsatz von 50 Millionen Euro ein Umsatzplus von 500.000 Euro bedeuten. Bei einer angenommenen Umsatzrendite von 10% liefe das auf einen Mehrwert von 50.000 Euro hinaus. Wenn man zusätzlich davon ausgeht, dass durch die Auswahl besserer Mitarbeiter auch die Kosten gesenkt werden (da z.B. Prozesse effizienter laufen, Fehlerquoten sinken etc.), würde dies zu einer Erhöhung der Umsatzrendite führen und der Mehrwert wäre sogar noch größer.
- Geringere Mitarbeiter*innenfluktuation: Die Einstellung neuer Mitarbeiter*innen kostet die Müller AG inkl. Einarbeitung usw. durchschnittlich 5.000 Euro. Bei 50 neuen Mitarbeiter*innen im Jahr und einer Senkung der Fluktuation um 5% würden sich die Kosteneinsparungen für Mitarbeitereinstellungen auf 500 Euro belaufen.
- Geringere Fehlzeiten durch höhere Zufriedenheit: Bei einem durchschnittlichen Wert eines Arbeitstages in der Müller AG von 150 Euro und 400 MA ergibt sich (bei 250 Arbeitstagen p.a.) durch eine Reduzierung der Fehlzeiten um 0,5 % ein Mehrwert von 75.000 Euro
- Führung: Eine Einsparung von 2% der Zeit einer Führungskraft (durch effizientere und effektivere Kommunikation sowie die Reduzierung von Konflikten) würde bei einem durchschnittlichen Monatslohn einer Führungskraft von 3.500 Euro, einer Wochenarbeitszeit von 40h und 50 Führungskräften im Unternehmen ein Einsparpotential von ca. 75.000 Euro ergeben.
Insgesamt summieren sich die Potentiale für den Einsatz eines modernen, leistungsfähigen Persönlichkeitstests für die mittelständische Müller AG auf ca. 177.500 Euro pro Jahr. Bei größeren Unternehmen wachsen diese Werte natürlich entsprechend schnell an. Demgegenüber erscheinen die Kosten solcher Testverfahren angemessen. Für ein mittelständisches Unternehmen der Größe unserer Müller AG ist der flächendeckende Einsatz guter Persönlichkeitstests bereits ab einer Summe von ca. 20.000 Euro realistisch. Werden die Instrumente nur punktuell eingesetzt (z.B. nur in der Auswahl), verringern sich diese Kosten noch einmal.
Natürlich können diese Potentiale von Persönlichkeitstests nur dann realisiert werden, wenn die eingesetzten Tests den eingangs beschriebenen Gütekriterien an wissenschaftlich fundierte Testverfahren entsprechen. Tun sie dies, sollten Persönlichkeitsanalyseverfahren Bestandteil jeder professionellen Personalauswahl und -entwicklung sein. Gute Argumente gibt es dafür einige, wie in diesem Beitrag deutlich wurde. Um auch für Ihr Unternehmen eine überzeugende Argumentation im Sinne des ROI zu erreichen, ist eine individuelle Anpassung an Ihre Rahmenbedingungen natürlich notwendig, in der Regel aber auch möglich. Sprechen Sie mich dazu gerne einmal an.
Ihr
Ronald Franke
Wie so ein wissenschaftlich fundierter Persönlichkeitstest aussehen kann, um einen Mehrwert auch in Form eines Returns on Investment (ROI) zu schaffen, finden Sie unter der Rubrik PERSONALITY PROFILER auf der Website von LINC.
Quellenverweise (Auswahl):
- Barrick, M. R., Mount, M. K., & Judge, T. A. (2001). Personality and performance at the beginning of the new millennium: What do we know and where do we go next? International Journal of Selection and Assessment, 9, 9–30.
- Judge, T. A., Higgins, C. A., Thoresen, C. J., & Barrick, M. R. (1999). The Big Five personality traits, general mental ability, and career success across the life span. Personnel Psychology, 52, 621–652.
- Judge, T. A., Heller, D., & Mount, M. K. (2002). Five-factor model of personality and job satisfaction: A meta-analysis. Journal of Applied Psychology, 87, 530–541.
- Tett, R. P., & Christiansen, N. D. (2007). Personality tests at the crossroads: A response to Morgeson, Campion, Dipboye, Hollenbeck, Murphy, and Schmitt (2007). Personnel Psychology, 60, 967–993.
- Hurtz, G. M., & Donovan, J. J. (2000). Personality and job performance: The Big Five revisited. Journal of Applied Psychology, 85, 869–879.
- Ones, D. S., Dilchert, S., Viswesvaran, C., & Judge, T. A. (2007). In support of personality assessment in organizational settings. Personnel Psychology, 60, 995–1027.
Über den Autor:
Dr. Ronald Franke ist Geschäftsführer der LINC GmbH, promovierter Wirtschaftspsychologe und zertifizierter systemischer Coach. Als Berater und Trainer war er für Unternehmen aus den Bereichen Automotive, Pharma Maschinenbau und Handel tätig. Sein Wissen gibt er außerdem seit über 10 Jahren als Dozent an Hochschulen weiter (u. a. Leuphana Universität Lüneburg, FOM Hamburg).