Sie denken groß, sind innovativ, sprudeln vor Ideen und ihre großen Erfolge strahlen im hellsten Glanz: Die erfolgreichen Entrepreneur:innen sind die Rockstars unserer Zeit. Visionäre wie Elon Musk, Whitney Wolfe Herd oder Mark Zuckerberg formen mit ihrem Handeln und ihren Entscheidungen ganze Märkte und genießen eine hohe Aufmerksamkeit und Gefolgschaft. Unzählige Entrepreneur:innen eifern ihrem Vorbild nach und suchen nach der Formel zum Erfolg – kann mich eine Stunde morgendliches Yoga zum Erfolg führen? Helfen vier Liter grüner Tee am Tag, um einen kühlen Kopf zu bewahren? Über die Wirksamkeit solcher Maßnahmen lässt sich streiten, doch die Wissenschaft ist sich einig: Einen Teil des Erfolgs kann die eigene Persönlichkeit in Form der BIG FIVE erklären.
Natürlich ist unsere Persönlichkeit in Form der BIG FIVE Persönlichkeitseigenschaften nicht das einzige, das zu unternehmerischen Erfolg führt. Doch die Grundausrichtung unserer Persönlichkeit formt unser Denken und Handeln und nimmt damit auch direkt Einfluss auf unsere beruflichen Entscheidungen. Dies beginnt schon bei der Wahl der eigenen Berufung: Was möchte ich überhaupt beruflich machen? Wie die Forscher Ones & Viswesvaran (2003) zeigten, unterscheidet sich die Persönlichkeit von Menschen, die in verschiedenen Berufen arbeiten. Eine sehr extravertierte Person sucht sich wahrscheinlich einen Beruf mit Menschenkontakt, während eine Person mit niedriger Gewissenhaftigkeit wahrscheinlich nicht auf die Idee kommt im Finanzamt zu arbeiten. In gleichem Maße unterscheiden sich im Durchschnitt Personen, die Entrepreneur:innen werden, hinsichtlich ihres BIG FIVE Profils von denen, die keine Entrepreneur:innen werden.
Wie sieht das BIG FIVE Persönlichkeitsprofil einer:s Entrepreneur:in aus?
- G – Gewissenhaftigkeit
Auf dieser Dimension unterscheiden sich Entrepreneur:innen am stärksten von Nicht- Entrepreneur:innen. Personen mit einer hohen Gewissenhaftigkeit setzen sich häufiger ambitionierte Ziele und verfolgen diese auch konsequent. In wissenschaftlichen Kreisen spricht man im Zuge der Gewissenhaftigkeit auch von der „Leistungsmotivation“. Eine ausgeprägtere Gewissenhaftigkeit begünstigt somit ein Verlangen nach Erfolg. Besonders Arbeitsumgebungen, in denen die eigenen Bemühungen Grundlage für den Arbeitserfolg sind, treibt Personen mit einer hohen Gewissenhaftigkeit dazu Entrepreneur:in zu werden. Gewissenhaftigkeit ist darüber hinaus einer der besten Prädiktoren für Berufserfolg – nicht nur für Entrepreneur:innen.
- O – Offenheit für neue Erfahrungen
Auch die Dimension der Offenheit für neue Erfahrungen ist bei Entrepreneur:innen stärker ausgeprägt. Offene Personen zeichnen sich durch intellektuelle Neugier, Kreativität, Analysefähigkeit und Begeisterungsfähigkeit für Neues aus. Diese Aspekte bei Entrepreneur:innen zu finden verwundert ebenfalls nicht, da sie zumeist dazu prädestiniert sind mit Konventionen zu brechen und neue, innovative und teils disruptive Ideen, Produkte und Geschäftsmodelle umzusetzen.
- S – Sensibilität
Auch bekannt als „Emotionale Stabilität“ zeichnet sich eine höhere Ausprägung des Neurotizismus aus durch das vermehrte Erleben von negativen Emotionen wie Angst, Feindlichkeit, Impulsivität oder Verwundbarkeit. Im Gegensatz dazu sind Personen mit niedrigem Neurotizismus-Wert wohl das, was man in der heutigen Zeit als resilient bezeichnen würde: Selbstbewusst, ruhig, ausgeglichen und entspannt. Als Entrepreneur:in ist man oft in unruhigem Fahrwasser unterwegs und muss mit Risiken, Rückschlägen und starkem Wettbewerb umgehen können. Tiefe Tiefs und hohe Hochs auszuhalten und dabei weder abzuheben, wenn es gut läuft, noch das Vertrauen in das eigene Vorhaben zu verlieren, wenn die Zeiten rauer sind, bedarf einem niedrigen Neurotizismus-Wert.
- K- Kooperation
Erhalten Entrepreneur:innen Gegenwind von Skeptikern oder Kritikern müssen sie dennoch an ihren Ideen festhalten und andere von diesen überzeugen. Nicht zurückzustecken, an den eigenen Ideen festzuhalten und einen langen Atem zu beweisen fällt leichter, wenn man sich nicht jede Kritik zu Herzen nimmt oder jedem Konflikt aus dem Weg geht. Entrepreneur:innen sind im Durchschnitt weniger verträglich, wenngleich dieser Unterschied weniger deutlich ausfällt als bei den vorher aufgezeigten Dimensionen.
- E – Extraversion
Extravertierten Personen fällt es leichter Beziehungen zu Mitmenschen aufzubauen, was das Unternehmertum vereinfachen kann. Auch andere Menschen mitzureißen und zu begeistern fällt extravertierten Persönlichkeiten meist leichter. Man mag vermuten, dass Entrepreneur:innen daher von extravertiertem Verhalten profitieren – dass sie aber auch tatsächlich extravertierter sind als nicht Entrepreneur:innen konnte wissenschaftlich nicht bewiesen werden.
Obwohl die Persönlichkeit in Form der BIG FIVE Persönlichkeitseigenschaften einen spürbaren Einfluss auf die Berufswahl und auch den Berufserfolg nimmt, ist sie nicht der einzige Faktor, der Erfolg und Berufsstatus definiert. Auch eine wenig gewissenhafte Person kann sich ambitionierte Ziele setzen und diese verfolgen, es kostet sie nur mehr Überwindung und Willenskraft. Und auch verträgliche Unternehmer:innen hindert diese Eigenschaft nicht zwingend an ihrem Erfolg, auch wenn es ihnen schwieriger fällt ihre eigenen Standpunkte konsequent durchzusetzen. Obgleich Persönlichkeit auch über die Lebensdauer sehr stabil ist (Lesen Sie auch: Stabilität der menschlichen Persönlichkeit) kann konkretes Verhalten verändert werden, beispielsweise über Selbstreflexion, Erfahrungen oder ein professionelles Coaching. Vielleicht helfen sogar Yoga und täglich vier Liter grüner Tee dabei dem eigenen Traum der erfolgreichen Entrepreneur:in ein Stück näher zu kommen.
Quellen:
- Antoncic, B., Bratkovic Kregar, T., Singh, G., & DeNoble, A. F. (2015). The big five personality–entrepreneurship relationship: Evidence from Slovenia. Journal of small business management, 53(3), 819-841.
- Kalar, B., & Antoncic, B. (2015). The entrepreneurial university, academic activities and technology and knowledge transfer in four European countries. Technovation, 36, 1-11.
- Zhao, H., & Seibert, S. E. (2006). The big five personality dimensions and entrepreneurial status: A meta-analytical review. Journal of applied psychology, 91(2), 259.
Über den Autor
Felix Kiwitt ist seit August 2020 Mitarbeiter der LINC GmbH und ist studierter Wirtschaftspsychologe (B. Sc.)