Anfang dieses Jahres brachte die Corona-Pandemie die gesamte Welt aus ihrem Gleichgewicht. Von einem auf den anderen Tag war vieles nicht mehr so, wie es die Menschen kannten. So musste das „Gewohnheitstier Mensch“ sich an neue Gegebenheiten anpassen und vertraute Handlungen verändern. Obwohl das Gesundheitsministerium und verschiedene Virologen klare Verhaltensweisen empfohlen haben, fiel es manchen Menschen schwer, diesen nachzugehen. Die Reaktionen auf Empfehlungen und Maßnahmen der Regierung bezüglich der Covid-19 Pandemie wurden sehr unterschiedlich von Bürgern aufgenommen. Viele Menschen hielten sich strikt an diese Vorgaben und reduzierten ihre sozialen Kontakte zu Freunden und Familie, manche sogar weit über die Empfehlungen hinaus. Andere wiederum wehrten sich vehement gegen die Einschränkungen und taten ihrem Unmut öffentlich kund.
Aus den geschilderten Erkenntnissen ergibt sich die Frage, welche Faktoren für die unterschiedlichen Reaktionen verantwortlich sein könnten. Der Aufklärung dieser Fragestellung ging ein Forscherteam der Cambridge, Columbia und Harvard Universität nach und veröffentlichte die Ergebnisse in ihrem aufschlussreichen Forschungsbericht „How Personality and Policy Predict Pandemic Behavior: Understanding Sheltering-in-Place in 55 Countries at the Onset of COVID-19.“ (Götz, F., Gvirtz, A., Galinsky, A., & Jachimowicz, J., 2020).
Die Studie kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Persönlichkeit eines Menschen nimmt einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten während einer Ausnahmesituation, wie der aktuellen Pandemie. Ausgehend von der Ausprägung der Persönlichkeitsfacetten werden objektiv gleiche Situationen von verschiedenen Menschen unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Dementsprechend variieren auch die daraus resultierenden persönlichen Reaktionen, Einstellungen und Meinungen. Die Persönlichkeit eines Menschen hat also einen Einfluss auf jegliche Lebensbereiche.
Die Studie der britischen und amerikanischen Forscher zeigt, dass Menschen mit höher ausgeprägter Sensibilität eher die Öffentlichkeit mieden und Zuhause verweilten, als Menschen mit niedriger ausgeprägten Werten dieser Persönlichkeitsdimension. Wer also in der Regel eher ängstlich in seinem Alltag agiert, der sieht auch in dem Corona-Virus eher eine Gefahr für die eigene Unversehrtheit. Auch Menschen mit einer höheren Ausprägung in den Big-Five Dimensionen Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Kooperation blieben eher freiwillig Zuhause, als solche mit einer niedrigen Ausprägung in diesen Dimensionen. Menschen, die also neuen Situationen unvoreingenommen begegnen, pflichtbewusst sind und ungern in Konflikte geraten, blieben dementsprechend auch eher Zuhause. Wie zu vermuten, verweilten Menschen mit einer höheren Ausprägung in der Dimension Extraversion wiederum weniger Zuhause und hatten weniger Verständnis für die angeführten Maßnahmen und Vorschriften. Extravertierte Menschen ziehen beispielsweise Energie daraus, unter Mitmenschen zu sein und sozialen Veranstaltungen beizuwohnen, zudem nehmen sie öfter an solchen Veranstaltungen teil. Der Wegfall dieser sozialen Begegnungen bedeutete also einen größeren Einschnitt für ihr persönliches Leben.
Es wird deutlich, dass wir uns in keiner Lebenssituation von unserer Persönlichkeit freimachen können und die unterschiedliche Ausprägung unserer Persönlichkeitsdimensionen immer einen Einfluss auf unser Empfinden, Verhalten und Agieren nehmen wird. Es ist wichtig, diese Einflüsse der Persönlichkeit zu verstehen und zu entschlüsseln, um das Verhalten und Empfinden der unterschiedlichsten Menschen nachvollziehen zu können. Letzten Endes sind wir alle von der Situation betroffen und müssen lernen, gemeinsam damit umzugehen – dafür ist das Verstehen von der Persönlichkeit ein essenzielles Gut.
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Über die Autorin:
Maja Giffhorn ist seit Juni 2020 Mitarbeiterin der LINC GmbH und ist studierte Wirtschaftspsychologin (B. Sc.)