Online-Coaching, Remote-Coaching, digitales Coaching – bringt das was? Zur Wirksamkeit von internetbasierten Interventionen

Die Digitalisierung ergreift heute nahezu jeden unserer Lebensbereiche: Chatten mit Freund*innen über WhatsApp, Video-Calls mit Kolleg*innen am anderen Ende der Welt oder aus dem coronabedingten Homeoffice führen, Urlaubsinspirationen und Geheimtipps über Reise-Plattformen wie TripAdvisor entdecken oder den Staubsauger-Roboter per App schnell noch auf den Weg schicken. Diese Liste ließe sich unbegrenzt erweitern.

Doch wie sieht es aus mit Online-Coachings oder auch Online-Therapien? Klar – technisch umsetzbar sind sie heutzutage dank digitaler Austauschformate allemal. Aber sind solche internetbasierten Interventionen auch wirklich wirksam? Führt ein Online-Coaching tatsächlich zu erwünschten Verhaltensänderungen? Und lassen sich beispielsweise depressive Verstimmungen tatsächlich über Online-Therapien mildern? Lassen Sie uns dazu einen Blick in die Wissenschaft werfen.

Zunächst fällt hier ins Auge, dass die Ausbeute an wissenschaftlichen Studien zum Thema Online-Coaching ausgesprochen rar ist. Explizit auf Online-Coachings bezieht sich beispielsweise eine explorative, jedoch wenig umfangreiche Studie von Jackson und Bourne (2020). Sie untersuchen, inwiefern ein sechswöchiges Online-Coachingprogramm 12 Frauen darin unterstützt, mehr Selbstvertrauen zu gewinnen. Auf Basis von evaluierenden Interviews mit den Frauen sowie ersten quantitativen Befragungen sprechen Jackson und Bourne eine klare Empfehlung für Online-Coachings aus, weil die Probandinnen ihr Selbstvertrauen stärken konnten.

Über konkurrenzlos umfangreiche empirische Daten verfügt hingegen eine Forschungsgruppe um die Gründer von HelloBetter, einem Anbieter für digitale Therapien und psychologische Online-Trainings. Nachfolgende Studien geben eine erste Kostprobe der langjährigen wissenschaftlichen Erforschung der Wirksamkeit von Online-Therapien:

  • Ein geleitetes internetbasiertes Genesungstraining half Mitarbeiter*innen, die sowohl unter Schlafproblemen als auch unter arbeitsbedingten Belastungen litten, langfristig (gemessen ein halbes Jahr nach der Intervention), besser zu schlafen und sich vom Stress bei ihrer Arbeit abzugrenzen (Thiart et al., 2015).
  • Verschiedene Online-Trainings unterstützten die Klient*innen nachweislich darin, ihre depressiven Verstimmungen zu überwinden bzw. zu reduzieren (Buntrock et al., 2015; Ebert et al., 2014).
  • Durch eine webbasierte Intervention verringerte sich der durchschnittliche wöchentliche Alkoholkonsum erheblich und verbesserten sich die psychische Gesundheit sowie die Arbeitsergebnisse der Proband*innen (Boß et al., 2017).
  • Mithilfe einer geführten Online-Therapie gelang es, bei den Klient*innen langfristig chronische Schmerzen signifikant zu lindern (Lin et al., 2017).
  • Eine Metaanalyse zur mentalen Gesundheit von Student*innen zeigte zudem, dass internetbasierte Interventionen signifikant dazu beitrugen, ihre akademische Leistung zu erhöhen sowie die sozialen und arbeitsbezogenen Beeinträchtigungen aufgrund psychischer Probleme zu verringern (Harrer et al., 2019).

 

Diese sowie zahlreiche weitere Studien der Forschungsgruppe belegen sehr klar, dass internetbasierte Interventionen Klient*innen maßgeblich darin unterstützen können, mit ihren aktuellen Herausforderungen umzugehen und Erfolge bei der Bewältigung ihrer Probleme zu erzielen. Es liegt somit nahe, diese positive Wirksamkeit von Online-Therapien auch für Online-Coachings anzunehmen, weil auch bei ihnen Klient*innen Lösungen für aktuelle Herausforderungen suchen.

Viele der Studien weisen zudem auf den Wert hybrider Lösungen hin. Diese kombinieren Online-Interventionen mit Face-to-face-Treffen zwischen Klient*in und Therapeut*in. Auch dieser Ansatz bietet sich für Coachings an: So können sich Coach und Klient*in beispielsweise in einem ersten persönlichen Treffen „in echt“ beschnuppern und eine vertrauensvolle Basis für ihren weiteren Coachingprozess schaffen. Aus diesem persönlichen Vertrauensraum heraus können sie dann im virtuellen Raum – z.B. im LINC COACHING BOARD – in ihren folgenden Coachingsitzungen weiterarbeiten. Alternativ wäre es z.B. möglich, ausführlichere Coachingsitzungen face-to-face abzuhalten und sich zwischendurch über die digitale Plattform für Online-Coachings für ein kurzes Update zu treffen.

Die eingangs aufgeworfene Frage „Online-Coaching, Remote-Coaching, digitales Coaching – bringt das was?“ ist angesichts der umfangreichen Studienlage zur positiven Wirksamkeit von internetbasierten Therapien also sehr naheliegend mit einem klaren Ja zu beantworten. Gerade in einer Welt, aus der digitale Technologien im täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind und wir Menschen uns zusehends daran gewöhnen, über digitale Medien zu kommunizieren, sollten wir das Potenzial eines digitalen Next Normals im Bereichs von Coachings für uns und unsere persönliche Weiterentwicklung ausschöpfen.

 

Literatur: 

Boß, L., Lehr, D., Schaub, M. P., Paz Castro, R. P., Riper, H., Berking, M., & Ebert, D. D. (2017). Efficacy of a web-based intervention with and without guidance for employees with risky drinking: Results of a three-arm randomized controlled trial. Addiction, 113, 635–646. doi:10.1111/add.14085

Buntrock, C., Ebert, D., Lehr, D., Riper, H., Smit, F., Cuijpers, P., & Berking, M. (2015). Effectiveness of a web-based cognitive behavioural intervention for subthreshold depression: Pragmatic randomised controlled trial. Psychotherapy and Psychosomatics, 84, 348–358. doi:10.1159/000438673

Ebert, D. D., Lehr, D., Boß, L., Riper, H., Cuijpers, P., Andersson, G., & Thiart, H., Heber, E., Berking, M. (2014). Efficacy of an internet-based problem-solving training for teachers: Results of a randomized controlled trial. Scand J Work Environ Health, 40(6), 582–596. doi:10.5271/sjweh.3449

Harrer, M., Adam, S. H., Baumeister, H., Cuijpers, P., Karyotaki, E., Auerbach, R. P., Kessler, R. C., R., Bruffaerts, Berking, M., & Ebert, D. D. (2019). Internet interventions for mental health in university students: A systematic review and meta‐analysis. International Journal of Methods in Psychiatric Research, 28, e1759. doi:10.1002/mpr.1759

Jackson, S., & Bourne, D. J. (2020). Can an online coaching programme facilitate behavioural change in women working in STEM fields? International Coaching Psychology Review, 15(1), 20–36.

Lin, J., Paganini, S., Sander, L., Lüking, M., Ebert, D. D., Buhrman, M., Andersson, G., & Baumeister, H. (2017). An internet-based intervention for chronic pain. A three-arm randomized controlled study of the effectiveness of guided and unguided acceptance and commitment therapy. Deutsches Ärzteblatt International, 114, 681–688. doi:10.3238/arztebl.2017.0681

Thiart, H., Lehr, D., Ebert, D. D., Berking, M., & Riper, H. (2015). Log in and breathe out: Internet-based recovery training for sleepless employees with work-related strain – The results of a randomized controlled trial. Scandinavian Journal of Work, Environment & Health, 41(2),164–174. doi:10.5271/sjweh.3478

 

Link HelloBetter: https://hellobetter.de/

Link zahlreiche weitere Studien der Forschungsgruppe: https://hellobetter.de/forschung/

Link LINC COACHING BOARD: https://linc.de/online-coaching/ 

 


Über die Autorin:

Luisa Popp ist seit Oktober 2020 als Wirtschaftspsychologin bei der LINC GmbH tätig. Sie studierte Wirtschaftspsychologie im Bachelor und Management und Human Resources im Master jeweils an der Leuphana Universität Lüneburg.


 

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